Liegt unsere Zukunft im Untergrund?

Ein Blick zurück


Was kommt einem zuerst in den Sinn, wenn es um unterirdische Bauwerke aus der Vergangenheit geht? Wer schon einmal in Istanbul war, denkt wahrscheinlich sofort an die weltbekannte Basilika-Zisterne, die im 6. Jahrhundert n.Chr. als Trinkwasserspeicher für die Bevölkerung von Konstantinopel gebaut wurde und bis zu 80.000 Kubikmeter Wasser speichern kann. In der Höhle von Lascaux/ Frankreich lassen sich prähistorische Malereien bestaunen, die Historiker auf etwa 15.000 v.Chr. datieren. Eine beeindruckende Infrastruktur unter der Erdoberfläche weisen ebenso die Cu Chi Tunnel in Vietnam auf: unterirdische Verteidigungsanlagen über Hunderte von Kilometern mit Schlafzimmern, Küchen, Krankenstationen und Waffenlager.
Es gibt zahlreiche weitere Beispiele dafür, wie unsere Vorfahren den Untergrund über Jahrtausende hinweg als Lebensraum, für Kultstätten, Grabanlagen, als Versorgungs- und Verteidigungsbauwerke oder auch zur Gewinnung von Rohstoffen genutzt haben.

Menschliche Silhouette und Reflexionen zwischen den Säulen der Cisterna Basilica

Wie hat sich unsere Beziehung zum unterirdischen Raum entwickelt?


Der Untergrund wird heute am häufigsten für die Infrastruktur genutzt, insbesondere für Verkehrssysteme wie U-Bahnen und unterirdische Autobahnen. Tunnel verbinden Orte, zwischen denen sich Gebirge auftürmen. Sie ermöglichen effiziente und schnelle Transportmöglichkeiten in dicht besiedelten Städten und reduzieren gleichzeitig den Platzbedarf an der Oberfläche. Darüber hinaus sind effiziente unterirdische Wasser- und Abwassersysteme in urbanen Räumen entscheidend für die Aufrechterhaltung der Gesundheit, Hygiene und Lebensqualität der Bewohner. Gemäß den Prognosen der Vereinten Nationen (UN) wird die städtische Bevölkerung weltweit bis zum Jahr 2030 voraussichtlich um etwa 600 Millionen Menschen auf insgesamt 5,2 Milliarden anwachsen. Somit werden ca. 60% der Weltbevölkerung in Städten leben – mit weiter steigender Tendenz. Um den Bedarf dieser Menschen hinsichtlich Versorgung, Entsorgung und Transport nachhaltig zu decken, braucht es zukunftsorientierte subterrane Infrastrukturen mit neuen Lösungsansätzen.

Moderne U-Bahn-Station in Chengdu mit futuristischem Design am Verkehrsknotenpunkt Jincheng Plaza East

Die Grenzen des Tunnelbaus erweitern


Neben innovativen Systemen in den Bereichen der Energieversorgung, Abfallentsorgung und Wasserwirtschaft spielt der unterirdische Raum auch in Wissenschaft und Forschung eine große Rolle: Wissenschaftler nutzen unterirdische Labore und Forschungseinrichtungen, um geologische, physikalische und biologische Prozesse zu untersuchen. Diese Einrichtungen bieten einzigartige Möglichkeiten für Experimente und Studien, die an der Erdoberfläche nicht möglich wären.
Botaniker und Agronomen betreiben unterirdische Anlagen, um die genetische Vielfalt von Nutzpflanzen zu schützen. Die Saatgutkammer auf der norwegischen Insel Svalbard, auch bekannt als „Arche Noah für Saatgut“, beherbergt 1,2 Millionen Proben tief im Inneren eines Berges. Taiwan, Seoul und London nutzen leerstehende U-Bahn-Tunnel für vertikale Farmen, um Salatblätter und Mikrogemüse anzubauen.

Aquaponik-Farm: nachhaltige Bewirtschaftung und künstliche Beleuchtung

Sogenannte Sponge Cities“ (Schwammstädte) sind ein weiteres Beispiel innovativer unterirdischer Strukturen. Diese Städte sind so gestaltet, dass sie Wasser wie ein Schwamm aufnehmen können, um Überschwemmungen im Zuge von Starkregenereignissen zu vermeiden. Damit das funktioniert, setzt man auf eine blau-grüne Infrastruktur: Blaue Strukturen wie Feuchtgebiete, Teiche, Flüsse und Überschwemmungsflächen werden mit Grünflächen wie Parks, Wäldern und Dachgärten kombiniert.
Städte wie Helsinki und Montreal haben bereits viele unterirdische Freizeiteinrichtungen, die in kalten Wintern genutzt werden können. Angesichts der prognostizierten Veränderungen beim Klima mit häufigeren extremen Wettersituationen können solche geschützten Aufenthaltsorte immer wichtiger werden.
Neuen unterirdischen Lebens- und Nutzraum zu schaffen, bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich wie die Versorgung mit Wasser und Luft oder die Müllentsorgung. Um nachhaltige Lösungen zu schaffen, braucht es neben Kreativität, interdisziplinärer Zusammenarbeit und einer sorgfältigen Planung vor allem den menschenzentrierten Ansatz als Basis.

Eine Vision von morgen: Die Rolle der Technologie bei der Gestaltung von unterirdischen Räumen


Der Blick in die Zukunft zeigt: Das Potenzial unterirdischer Räume wird weiterhin wachsen. Unternehmen wie Herrenknecht und VMT treiben diese Entwicklung voran. Sie entwickeln die Technologien, die nötig sind, um Tunnel zu bauen, die urbanes Wachstum und nachhaltige Mobilität ermöglichen. So entstehen unterirdische Lebensräume und klimaresistente Infrastrukturen – mit enormen Möglichkeiten. Maschineller Tunnelbau, unterstützt durch digitale Lösungen, erlaubt eine schnellere, sicherere und präzisere Umsetzung dieser Bauwerke. Angesichts globaler Herausforderungen wie Bevölkerungswachstum und Klimawandel werden unterirdische Räume zu entscheidenden Ressourcen. Sie eröffnen neue Chancen für Leben, Arbeiten und Entwicklung unter der Erde.

Salzbergwerk Turda, Rumänien